„Pferde für unsere Kinder e.V.“-Interview: „Reiten im Kindergarten“
In der Kindertagesstätte „Arche Noah“ in Legau haben die Kinder die Möglichkeit, das Pferd hautnah zu erleben. Durch das Angebot des pädagogischen Reitens lernen die Kinder nicht nur Wissen über Pferde, sondern schulen ihre Grob- und Feinmotorik, die sozial-emotionale Kompetenz und setzen sich aktiv mit dem Tier und anderen Kindern auseinander. Um das Projekt allen Kindern der Kindertagesstätte kostenlos anbieten zu können, erhält die Einrichtung neben der finanziellen Unterstützung des Elternbeirats und Spender, Rückhalt von der Gemeinde Legau und dem ersten Bürgermeister, Franz Abele.
Im gemeinsamen Gespräch mit Franziska Czasch, Kita-Leitung „Arche Noah“ und Franz Abele, erster Bürgermeister Markt Legau, wollte „Pferde für unsere Kinder e.V.“ wissen: Wie passt das Pferd in das Konzept und die Philosophie der Kita „Arche Noah“? Welche Erfahrungen wurden mit dem pädagogischen Reiten in der Einrichtung gemacht? Aus welcher Motivation heraus, befürwortet die Gemeinde das Reiten im Kindergarten? Und, welchen Einfluss hat das Pferd aus Ihren Erfahrungen heraus für die Kinder?
(Fotos: Kindertagesstätte „Arche Noah“)
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Frau Czasch, in Ihrer Einrichtungen bieten Sie pädagogisches Reiten für die Kinder an. Wie passt das Pferd in das Konzept und die Philosophie der Kindertageseinrichtung?
Franziska Czasch: Wir sind eine sehr ländliche Region und mit den Kindern daher auch viel draußen in der Natur. Für uns ist die Bewegung sehr wichtig. Zudem arbeiten wir im Kindergarten nach einem offenen Konzept. Den Ponyhof haben wir als Bildungsraum bzw. als Funktionsbereich bei uns mit aufgenommen, sodass die Kinder diesen auch im Freispiel nutzen können. Der Ponyhof ergänzt u. a. die Persönlichkeitsentwicklung unserer Konzeption, weil die Kinder dort ganzheitlich gefördert werden: kognitiv, sozial und emotional. So werden alle Entwicklungsbereiche angesprochen.
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Angebot des pädagogischen Reitens in Ihrer Einrichtung gemacht?
Franziska Czasch: Wir haben den Ponyhof seit vielen Jahren bei uns integriert. Seit nun mehr zwei Jahren konnten wir diesen fest bei uns aufnehmen. Der Ponyhof ist für uns eine wahnsinnige Bereicherung: Für die Kinder und auch für die Kollegen, weil dort die ganzheitliche Förderung einfach spielerisch stattfinden kann. Die Kinder erlernen die sozialen Kompetenzen, indem sie Absprachen treffen, miteinander am Pferd agieren, sie müssen Rücksicht nehmen und brauchen Mut, um sich zu überwinden. Denn es gibt auch Kinder, die am Anfang skeptisch sind und Angst haben. Irgendwann tauen diese Kinder auf und trauen sich mehr zu. Zudem lernen die Kinder viele Sachen, die sie später in der Schule brauchen. Zum Beispiel beim Striegeln die Körpermitte zu überkreuzen. Oder Handlungsabläufe planen, wie „Was benötige ich zum Striegeln? Wie richte ich meinen Arbeitsplatz her?“ Das müssen sie in der Schule genauso machen. Aufgrund dessen, haben wir das Angebot einmal pro Woche fest in unser Vorschulangebot integriert.
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Herr Abele, mit Ihrer Gemeinde befürworten Sie das Reiten in der Kindertagesstätte „Arche Noah“. Aus welcher Motivation heraus hat sich Ihre Gemeinde dazu entschieden?
Franz Abele: Die Gründe sind natürlich vielschichtig. Wir sind hier zwar im ländlichen Raum, wie Frau Czasch bereits angesprochen hat, aber dennoch stellen wir fest, dass sich die Kinder und Jugendlichen immer mehr von der Natur entfernen. Wir sehen das in vielen Bereichen. Deshalb ist es wichtig, dass wir wieder einen Bezug zu den Tieren herstellen. Was früher selbstverständlich war, ist heute bei weitem nicht mehr selbstverständlich. Durch das Reiten zur Natur zurückzufinden, ist für die Kinder eine ganz große Motivation. Aber es ist auch sehr wichtig, dass die Kinder dabei wieder an die Tiere herangeführt werden. Durch das Angebot können wir den Kindern wieder zeigen, wo alles herkommt und einen Bezug zur Natur herstellen.
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Der Kontakt zum Pferd und der Umgang mit dem Pferd fördert nicht nur die Motorik der Kinder, sondern trägt auch zur persönlichen Entwicklung von Kindern zu mitfühlenden und verantwortungsbewussten Menschen bei. Frau Czasch, welchen Einfluss hat das Pferd aus Ihren Erfahrungen heraus für Kinder?
Franziska Czasch: Wir haben viele integrative Kinder bei uns im Haus und der Unterschied in der Einrichtung und beim Ponyhof ist manchmal sehr extrem. So hatten wir mal ein Kind, das im Haus sehr aggressiv war und viel mit anderen Kindern in Konflikt geraten ist. Auf dem Ponyhof war das Kind wie ausgewechselt. Es war am Pferd total liebevoll und vollkommen entspannt. Dieses Phänomen konnten wir bereits öfters beobachten. Vor allem eher auffällige Kinder oder Kinder, die in ihrer Wahrnehmung Schwierigkeiten haben, finden in der Zusammenarbeit mit den Tieren zu sich selber und verhalten sich vollkommen anders.
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Herr Abele, ganz allgemein gefragt, welchen Wert hat das Pferd für Sie? Und, welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach das Pferd auf Kinder?
Franz Abele: Früher war es noch so, dass man in den Landwirtschaften häufig noch Pferde hatte. Daher konnte ich Erfahrungen mit Pferden in meiner Kindheit machen und bin auch einmal von einem Pferd gefallen. Aber auch diese Erfahrungen müssen gemacht werden. Bei dem Umgang mit Pferden darf nicht vergessen werden, dass dabei auch eine gewisse Gefahr besteht. Daher werden Leute benötigt, die mit Pferden umgehen können. Zudem ist, wie bei allem, ein gewisses Risiko vorhanden – auch für die Kinder. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder lernen damit umzugehen. Sie müssen wissen, dass sie nicht einfach alles machen können, denn ein Pferd ist nicht immer berechenbar. Sie müssen lernen mitzudenken. Beim Umgang mit den Tieren ist es wichtig zu lernen, das Verhalten so zu steuern, dass das Risiko, dass etwas passiert, minimiert wird. Außerdem müssen die Kindern frühzeitig lernen Verantwortung für ein Tier, sich selber und im Umgang untereinander zu tragen. Es ist auch wichtig einmal zu sagen „Stopp! Dieses Verhalten akzeptiert das Pferd nicht.“ oder „So darfst du das nicht machen, sonst kann etwas passieren.“. Insbesondere bei einem falschen Verhalten besteht hier einfach ein gewisses Gefährdungspotenzial. Zudem ist beim Umgang mit den Pferden auch Disziplin erforderlich, welche die Kinder im Umgang mit den Tieren erlernen.
„Pferde für unser Kinder e.V.“: Durch den Umgang mit dem Pferd wird bei den Kindern auch das Bewusstsein für die Natur und Umwelt gefördert. Welche weiteren Projekte / Maßnahmen werden in der Kindertagesstätte „Arche Noah“ durchgeführt, die das Natur- und Umweltbewusstsein der Kinder fördern?
Franziska Czasch: Wir sind zusätzlich eine zertifizierte Kneipp-Einrichtung, also eine Kneipp-Kita. Das bedeutet, dass wir mit den Kindern täglich draußen sind und sehr viel zum Thema „Kräuter“ machen. Wir haben im Garten eine Kräuterschnecke, die die Kinder selber bepflanzen und ernten dürfen. Die geernteten Kräuter werden anschließend im hauseigenen Frühstückangebot mitangeboten. Wir sind sehr bemüht, dass die Kinder an die Natur und das Umweltbewusstsein herangeführt werden. Hierfür finden immer mal wieder kleine Projekte statt. So haben wir zum Beispiel mit den Vorschulkindern Müll im Garten eingesammelt.
„Pferde für unser Kinder e.V.“: Herr Abele, welche weiteren Projekte oder Thementage, die das Natur- und Umweltbewusstsein der Kinder fördern, gibt es in Ihrer Gemeinde?
Franz Abele: Wir haben eine große Umweltbildungseinrichtung bei uns in Legau. Dort werden viele Kinder in den Ferien mitbetreut und mitbeschult und es finden verschiedene Expeditionen von Schulklassen statt. Die Kinder werden dort wieder zur Natur hingeführt. Denn der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur ist sehr wichtig und hat im weitesten Sinne auch mit den Tieren, die dort leben zu tun. Wenn ich mit den Pädagogen im Gespräch bin, ist es teilweise sehr bedenklich, wie wenig Bezug, die Kinder heutzutage zur Natur, den Tieren und der Landwirtschaft haben. Dabei hat vieles seinen Ursprung in der Landwirtschaft. Zudem haben wir bei uns in Illerwinkel einen Leonhardiritt. Hier wird auch immer wieder ganz deutlich aufgezeigt, welche Bedeutung die Tiere für die Landwirtschaft haben.
„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Haben Sie noch Anregungen für uns oder etwas, dass Ihnen besonders am Herzen liegt?
Franziska Czasch: Das Reiten im Kindergarten wird für die Kinder im Haus kostenfrei angeboten und darf von allen Kindern in Anspruch genommen werden. Zurzeit wird das Angebot hauptsächlich über Spenden finanziert. Dass allen Kindern die gleichen Bildungsangebote zur Verfügung stehen, ist uns sehr wichtig, weil es auch Familien gibt, die sich das nicht leisten können. Jedoch ist die finanzielle Regelung immer wieder schwierig. Unser Elternbeirat ist zwar sehr bemüht, das Angebot über Spenden, die zum Beispiel durch den Verkauf von Marmelade oder Kuchen erzielt werden, zu finanzieren. Dennoch bedarf es viel Einfallsreichtum, um das Angebot kostenfrei für alle Kinder anbieten zu können. Daher würden wir uns wünschen, dass es einen Zuschuss gibt, um das Reiten weiterhin für alle anbieten zu können.
Franz Abele: Mir persönlich wäre wichtig, dass das gesamte Thema, was die Landwirtschaft und den Umgang mit Tieren, auch mit Nutztieren, betrifft, in der Schule und in den Kindertagesstätten in die Mitte gestellt wird. Aktuell fehlt es in den Bereichen Landwirtschaft, Nutztierhaltung und Freizeitsport mit Pferden an Wertschätzung, weil die Menschen oft falsch informiert sind und durch die Virtualisierung den Bezug zu diesen Bereichen mehr und mehr verlieren. Diese Themen sollten, meines Erachtens, ein fester Bestandteil in der Schule in einem Schulfach sein. Natürlich gibt es bereits Orientierungstage bei denen eine Landwirtschaft besucht wird aber das ist zu wenig, um alles kennenzulernen, wie zum Beispiel die Herkunft und Herstellung von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln. Diese Themen müssen wieder mehr in die Schule und in die Schulfächer miteingebracht werden. Beginnend in den Kindertagesstätten.
„Pferde für unsere Kinder e. V.“: Herzlichen Dank für das Interview.
Pressekontakt:
Pferde für unsere Kinder e.V.
Lena Vetter
T: +49 (0) 4296 / 748 74 16
E: vetter@pferde-fuer-unsere-kinder.de
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