Mensch & Pferd

„Pferde für unsere Kinder e.V.“-Interview mit Brigitte Berkhoff

Brigitte Berkhoff ist seit ihrer Kindheit fasziniert von Pferden. Auch als Erwachsene, in ihrem Berufsleben als Krankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe sowie als Mutter bot die Beschäftigung mit dem Pferd für sie einen wunderbaren Ausgleich. Seit einigen Jahren bietet sie unter dem Titel „Mensch & Pferd“ pferdegestützte Förderung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zur Stärkung der Persönlichkeit auf dem Hof Berkhoff-Beumer in Ahlen (NRW) an.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“ wollte von Brigitte Berkhoff wissen: Was steckt hinter „Mensch und Pferd“? Was ist das Besondere an ihrer Arbeit? Welche Wirkung zeigt der Umgang mit Pferden auf den Menschen – insbesondere auf Kinder und warum ist es so wichtig, Kinder mit Pferden bzw. Tieren  in Berührung zu bringen?

„Pferde für unsere Kinder e. V.“: Frau Berkhoff, auf Ihrem Pferdehof in Ahlen bringen Sie Menschen mit Pferden in Kontakt. Was steckt hinter „Mensch und Pferd“?

Brigitte Berkhoff: Bei „Mensch und Pferd“ war ursprünglich die Idee, dass Pferde den Menschen sehr viel geben können und zwar sehr viel mehr, als das Reiten an sich. Für mich war und ist die Grundlage einer erfolgreichen Zusammenarbeit von Mensch und Pferd, dass sich die Menschen in der Gegenwart eines Pferdes entspannen und wohlfühlen können. Aber wie stelle ich dieses Gefühl überhaupt her? Wenn Kinder oder Erwachsene zu mir kommen und sagen, dass sie zwar die Faszination spüren aber ganz schön Respekt vor den Pferden haben, war es mir schon immer wichtig, dass ich diesen Menschen sagen kann, dass es richtig ist, diese Vorsicht zu spüren. Pferde sind nun mal große Wesen und Fluchttiere, die eine ganz andere Sprache haben als wir. Dennoch ist die Faszination vorhanden und deshalb wollte ich so arbeiten, dass sich die Menschen dabei entspannen. Dafür muss der Mensch in einer Atmosphäre sein, in der er sich wohl und sicher fühlen kann. Am besten draußen in der Natur. Zudem muss das Pferd als Lebewesen respektiert und so gehalten werden, dass es entspannt die Arbeit, die wir von ihm wollen, erledigen kann. Eine Zusammenarbeit bzw. ein Zusammensein, das auf Harmonie, Respekt, Vertrauen und Gleichgewicht aufgebaut ist.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Ihr Angebot ist sehr vielfältig. Neben dem Coaching mit Pferden und Seminaren u. a. im Bereich Horsemanship, bieten Sie die „Movement Method – Lernen mit Bewegung“ an und setzen diese auch erfolgreich in Schulen ein. Was ist das Besondere der Methode? Und, wie und warum funktioniert diese?

Brigitte Berkhoff: Dafür muss ich kurz das „Horse Boy Prinzip“ erläutern. Es ist daraus entstanden, dass sich ein verzweifelter Vater (Rupert Isaacson) auf die Suche nach Hilfe für seinen tief im Autismus gefangen Sohn (Rowan) begab. In jungen Jahren ist der Sohn dem Vater entwischt und in eine Pferdeherde gelaufen. Er setzte sich fast unter die Leitstute und diese hat ihn von den äußeren Einflüssen abgeschirmt. Als der Vater kam, um seinen Sohn zurückzuholen, wollte dieser unbedingt das Pferd berühren. Daraufhin nahm der Vater seinen Sohn und legte ihn auf den Pferderücken. Das Pferd stand dabei stockstill und Rowan entspannte sich. Von da an ging Rubert mit seinem Sohn immer wieder zur Nachbarsstute, um diesen zu beruhigen und zusammen unternahmen sie stundenlange Ausritte in der Natur. Dabei wurde Rupert klar, dass sein Sohn in der Natur entspannt und aufnahmefähig ist. Rupert wollte in Erfahrung bringen, wieso sein Sohn sich dabei entspannt und wie er ihn auf einen guten Weg bringen kann. So ging er zu Temple Grandin, Dozentin für Tierwissenschaften, und fragte diese, wie sie es trotz Autismus soweit geschafft hat. Temple Grandin nannte drei grundlegende Dingen, die Rowan beim Lernen helfen: Lass ihn sich bewegen, wann immer er möchte, geh mit ihm raus in die Natur, wann immer es geht und folge dem Kind in seinen Interessen. So hat Rupert seinen Sohn nach und nach in der Natur unterrichtet und dabei das Lernen an seine Interessen gekoppelt.

Aus den drei Grundsätzen Bewegung, Natur und dem Interesse der Kinder folgen, hat sich die Movement Methode entwickelt. Die Methode kann man mit Pferden noch intensiver gestalten, aber es ist für die Durchführung nicht zwingend notwendig. Die Idee der Movement Methode ist, Lerneinheiten draußen in der Natur abzuhalten. Warum nicht eine Schatzsuche mit Mathe verbinden? Warum nicht ein 1×1-Bewegungsspiel auf dem Schulhof? Die Methode beruht auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass Lernen in Bewegung nachhaltiger ist. Es werden dabei andere Gehirnregionen angesprochen und so wird das Erlernte besser erinnert, als wenn etwas im Sitzen ohne Bewegung auswendig gelernt wird. Das Reiten, das Bewegen, die Natur, die Tiere – all das sorgt dafür, dass im Körper Oxytocin ausgeschüttet wird. Das Beziehungshormon reduziert Stress, vermittelt den Kindern ein gutes Gefühl und führt zu einem besseren Miteinander.

Auf unseren Hof laden wir Schulklassen ein und gehen mit den Kindern, die teilweise keinen Wald, Tiere oder ähnliches kennen, nach draußen. In einem „Ja-Umfeld“, d. h. wir gestalten das Umfeld so, dass wir möglichst „Ja“ sagen können und mit viel Fläche, am besten im Wald, schaffen wir eine Umgebung in der sofort Lernen stattfinden kann. Zudem schulen wir gemeinsam mit einer Lehrerin aus den USA, die die Movement Methode weiterentwickelte und erfolgreich in einer Brennpunktschule umsetzte, Schul- und Lehrer-Teams in der Methode.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Aus welcher Motivation heraus stellen Sie sich der Aufgabe Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, mit Pferden und der Natur in Kontakt zu bringen?

Brigitte Berkhoff:. Viele Jahre habe ich Kinder auf Anfrage zu den Pferden gebracht und dabei merkte ich, dass die Jungs ankamen und gleich in der Strohburg, die auf unserem Hof steht, spielten. Die Eltern waren davon nicht besonders begeistert, weil sie eigentlich für die Arbeit mit dem Pferd bezahlten. So integrierte ich das Pferd in das Spielen mit der Strohburg und konnte dadurch die Jungs erreichen. Heute kommen so viele Jungs zu mir und bringen zum Teil auch ihre Vokabelkarten mit und wir integrieren das Lernen der Vokabeln in das Reiten. Ich möchte den Kindern die Natur zugänglich machen, weil hier Lernen stattfindet.

Eine weitere Motivation für mich ist unser ältester Sohn, der mit Behinderung geboren wurde. Als er klein war, suchte ich nach passenden therapeutischen Reitangeboten. Durch Zufall hatte ich dabei meine erste Begegnung mit dem Horsemanship und der „Pferdisch“-Idee. Die Frau, die mit meinem Sohn das therapeutische Reiten durchführte, hielt das Pferd nicht wirklich fest. Sie sagte zu mir, dass es nicht möglich wäre, 600 Kilogramm Pferd festzuhalten, aber es sei möglich 600 Gramm Gehirn zu überzeugen. Das fand ich so spannend, dass ich es selbst lernen wollte und habe angefangen unsere Ponys entsprechend auszubilden. Kurze Zeit später, kamen auch schon die ersten Kinder. Zudem passten die Schwerpunkte meiner Arbeit als Lehrerin für Pflegeberufe hervorragend zu dem, was am Pferd mit dem Mensch, dem Kind und dem Körper passiert. Die Pferde sind für mich wie Therapie-Delphine. Nur können Pferde von uns Menschen artgerechter gehalten werden.

„Pferde für unsere Kinder e. V.“: Haben Sie besonders prägende Erlebnisse durch Ihre Arbeit  erfahren?

Brigitte Berkhoff: Es gab einmal ein Kind, das beatmet werden musste. Für die Arbeit mit ihm, habe ich im Vorfeld das Pferd auf die Geräusche, die durch das Absaugen entstehen könnten, vorbereitet und mir überlegt, wie die Position sein kann, sodass kein Staub in das Tracheostoma gelangen kann. Es war so bewegend, wie der Junge sich durch den Kontakt zum Pferd total entspannte und strahlte. Seine Spastiken lösten sich und er begann den Mund und die Zunge zu bewegen. Dann gibt es noch die autistischen Kinder, die nonverbal sind. Die wirklich bei den Pferden beginnen, mehr zu sprechen. Zurzeit habe ich zum Beispiel einen Jungen, der nicht spricht, sich aber mit Gebärdensprache äußert. Auch bei ihm kommen immer mehr Laute und ich bin davon überzeugt, dass die Pferde das angestoßen haben. Zudem gab es noch ein junges Mädchen, dass sich immer mehr in ihre innere Welt zurückgezogen hatte. Irgendwann konnte sie die Schule nicht mehr besuchen. So kam es dazu, dass sie ein ganzes Jahr ein Praktikum bei mir gemacht hat. Durch die Zeit auf dem Hof und den Kontakt zu den Pferden, wurde ihre Welt wieder bunter und schöner. All solche Gänsehaut-Momente erleben wir hier auf dem Hof.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Welchen Wert hat das Pferd aus Ihrer Erfahrung heraus für Kinder, Jugendliche und Erwachsene? Und warum ist der Kontakt zur Natur, zu Tieren und zum Pferd so wichtig?

Brigitte Berkhoff: Das was der Mensch braucht, kann er beim Pferd finden, weil das Pferd in der Lage ist uns so zu spiegeln, wie wir das im Moment für uns brauchen. Vor allem bei Menschen mit Behinderung kann gut beobachtet werden, dass sich die Pferde zurücknehmen und sich an ihr Gegenüber anpassen. Menschen mit Traumata, psychischen Problemen oder Kinder mit wenig Selbstbewusstsein bzw. wenig Selbstwirksamkeit, erhalten von den Pferden Rückmeldungen, die sie stärken. Kinder die sehr aktiv sind, nennen wir es hyperaktiv, kommen zur Ruhe. Außerdem lernen sie soziale Kompetenzen. Denn das Pferd als ihr Gegenüber ist stärker und schwerer. Sie müssen lernen das Pferd zu beobachten. Das ist oft etwas, was sie mit einem anderen Kind nicht schaffen, aber bei einem Pferd geht das.

Dieses komplette Angebot von Natur, Tieren und der Kontakt zur Erde, schafft ein anderes Wertebewusstsein. Das soziale Verhalten der Kinder wird besser, sie haben eine emotionale Kontrolle, erfahren Selbstwirksamkeit, übernehmen Verantwortung für sich und andere und werden rücksichtsvoller. Zudem bewegen sich die Kinder dabei und finden heraus, dass ihr Körper weiß, dass sie Bewegung brauchen. Sie sind nicht falsch, sondern so wie sie sind, sind sie genau richtig. Mit dieser Rückmeldung möchte ich die Kinder und die Eltern stärken.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Das Vereinsziel von „Pferde für unsere Kinder“ ist es, Kinder und Pferde in Berührung zu bringen und ihnen damit auch einen Zugang zur Natur, Umwelt und Landwirtschaft zu ermöglichen sowie den Wert des Pferdes wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, denn vielen Menschen ist nicht bewusst, welchen positiven Einfluss Pferde auf uns und unsere Kinder haben. Inwieweit stimmen Ihre Ziele mit den Zielen unseres Vereins überein?

Brigitte Berkhoff: Mit unserem Hof und unserer Motivation, möchten wir Kindern, Eltern, Lehrern und allen, die dran interessiert sind, den Zugang zur Natur ermöglichen. Dass, was das Pferd uns schenken kann, möchten wir anderen soweit es geht zugänglich machen. Das schließt auch die Natur, in der das Pferd lebt, mit ein. Auch für unsere eigenen Kinder, finden wir es wichtig, ihnen beizubringen, dass wir ein großes Glück haben hier wohnen zu dürfen. Wir besitzen das nicht, sondern wir bewahren es und geben es an die nächsten Generationen weiter.

„Pferde für unsere Kinder e.V.“: Haben Sie weitere Anregungen für uns oder etwas, dass Ihnen besonders am Herzen liegt?

Brigitte Berkhoff: Durch die fortgeschrittene Entfremdung der Menschen von der Natur, ist es umso wichtiger geworden, dass wir das jetzige Schulsystem überdenken. Wir sehen es an den Schulklassen, die zu uns kommen, dass die Entfremdung von der Natur bereits dramatisch ist. Daher müssen die Kinder wieder raus in die Natur und lernen, wie wir unseren Planeten lebensfähig erhalten. Wir müssen versuchen, die Kinder wieder mehr in die Natur und zu den Bauernhöfen zu holen. Die Idee der Movement-Methode ist eine riesige Chance für Schulen, um der Entfremdung von den Tieren, der Erde und der Natur entgegenzuwirken. Wenn die Kinder mehr draußen sind ohne zu lernen, steigen bereits die Leistungen in der Schule. Wird dann noch das Draußen-sein mit lernen verknüpft, steigen die Leistung noch mehr und die Krankheitszahlen sinken. Es wäre so viel mehr möglich aber so, wie es jetzt ist, kann man es nicht lassen.

„Pferde für unsere Kinder e. V.“: Herzlichen Dank für das Interview und Ihre Unterstützung.

(Fotos: Brigitte Berkhoff)

Weitere Informationen zu Brigitte Berkhoff, Mensch & Pferd und der Movement-Methode erhalten Sie über …

Pressekontakt:

Pferde für unsere Kinder e.V.
Lena Vetter
T: +49 (0) 4296 / 748 74 16
E: vetter@pferde-fuer-unsere-kinder.de

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